Letztes Update: 16.03.20
Wir befinden uns durch das Corona-Virus in einer Ausnahmesituation. Der Druck und die Verunsicherung sind groß – auch für Beschäftigte. Wir versuchen Antworten auf wichtige arbeitsrechtliche Fragen zu geben.
Download: Coronavirus Flyer verdi FB13 2020-03-10
Selbstverständlich stehen auch viele Arbeitgeber*innen vor ungeahnten Herausforderungen und reagieren nun – teils gezwungenermaßen, teils hektisch.
Das ändert nichts daran, dass ihr euch nicht einschüchtern lassen solltet. Ihr alle, die ihr einen gültigen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag habt: Unterschreibt bitte keine Änderungsverträge oder sonstigen Vereinbarungen. Dafür gibt es keinen Grund. Sollten euch derartige Vorschläge unterbreitet werden, dann sprecht euren Betriebs- oder Personalrat, oder eure Gewerkschaft an.
Es geht darum, gemeinsam durch diese Krise zu kommen. Das schaffen wir und wir dürfen nicht zulassen, dass sie auf eurem Rücken ausgetragen wird.
Wir haben Informationen zu wichtigen arbeitsrechtlichen Fragen zusammengestellt.
Das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefahr durch das Corona-Virus für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland aktuell immer noch „als mäßig“ ein. Diese Gefährdung variiert jedoch je nach Region und in besonders betroffenen Gebieten ist die Gefährdung höher (Stand: 13. März 2020). Viele Arbeitnehmer*innen haben Fragen, und wir haben die wichtigsten Antworten zusammengestellt. Diese arbeitsrechtliche Informationen mit Stand vom 10.03.2020 basiert auf den Hinweisen von ver.di (https://www.verdi.de/themen/recht-datenschutz/++co++37f4d360-58b0-11ea-8408–525400b665de) und dem DGB (https://www.dgb.de/themen/++co++fdb5ec24-5946–11ea-8e68-52540088cada). Auf den entsprechenden Webseiten findet ihr auch aktuelle und weiterführende Informationen zum Thema. |
Darf ich zu Hause bleiben, weil ich befürchte, mich bei der Arbeit anzustecken?
Die Befürchtung vor Ansteckung allein reicht nicht aus, der Arbeit fernbleiben zu können. Beschäftigte dürfen der Arbeit nur fernbleiben, wenn sie tatsächlich arbeitsunfähig sind, ansonsten sind sie zur Arbeit verpflichtet. Die reine Angst davor, bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin krank zu werden, führt also nicht dazu, dass man nicht zur Arbeit erscheinen muss. Es gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, sei es bei der Arbeit oder in der Freizeit, sich zu verletzen oder sich mit einer Krankheit anzustecken. Das gilt auch für Beschäftigte mit einer Vorerkrankung, die sie zwar nicht arbeitsunfähig macht, aber mit der sie einem höheren Risiko ausgesetzt sind, einen schwereren Krankheitsverlauf durch eine Coronavirus-Infektion zu entwickeln.
Verweigert ein*e Beschäftigte*r aus Angst vor einer Ansteckung die Arbeit, obwohl kein Verdacht auf eine Infektion besteht, dürfen Unternehmen abmahnen und im Wiederholungsfall verhaltensbedingt kündigen.
Darf mein Chef mich auf Dienstreise in ein Ansteckungsgebiet schicken?
Die Arbeitspflicht erstreckt sich grundsätzlich auch auf Dienstreisen. Auch hier reicht eine bloße Befürchtung, man könne sich mit einem Virus infizieren, nicht aus, um die Dienstreise zu verweigern. Etwas Anderes gilt, wenn eine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt. Reisen in solche Gebiete oder Länder muss der*die Arbeitnehmer*in nicht antreten, da eine entsprechende Weisung unbillig wäre.
Muss mein Arbeitgeber Desinfektionsmittel und Ähnliches zur Verfügung stellen, um die Infektion am Arbeitsplatz zu verhindern?
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Verletzungs- und Erkrankungsrisiken im Betrieb so gering wie möglich sind. Er muss die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Hierzu kann auch das Bereitstellen von Desinfektionsmittel gehören. Was im Einzelfall erforderlich ist, hängt sehr davon ab, um was für ein Betrieb es sich handelt und welche Infektionsrisiken bestehen. Bei Betrieben mit Kundenkontakt ist das in höherem Maße der Fall als in Betrieben ohne Kundenkontakt. Ein noch einmal erhöhtes Risiko besteht in Betrieben, in denen man mit Personen aus den Ansteckungsgebieten zu tun hat.
Es gelten in jedem Fall die allgemeinen Grundsätze des Arbeitsschutzes. Zudem hat der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht. Laut Paragraph 618 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) muss er alles dafür tun, damit Beschäftigte ihre Arbeit gefahrlos erledigen können.
Darf ich bei der Arbeit einen Mundschutz tragen?
Der Arbeitgeber kann das Tragen eines Mundschutzes nicht verweigern, wenn der Arbeitsplatz mit einem höheren Risiko verbunden ist, sich mit dem Coronavirus anzustecken. In den Pflegeberufen gehört er ohnehin zur Grundausstattung der Beschäftigten. Aber auch anderswo haben Beschäftigte erhöhten Kontakt mit anderen Menschen, wie etwa an Flughäfen. Die Bundespolizei hat es dem Sicherheitspersonal (§ 5 LuftSiG) inzwischen freigestellt, einen Mundschutz zu tragen. Das Sicherheitspersonal an Flughäfen ist durch ständigen intensiven Kontakt mit Reisenden besonderen Ansteckungsrisiken ausgesetzt.
Darf ich mich weigern, angeordnete Schutzmaßnahmen zu befolgen?
Der Arbeitgeber hat ein Direktionsrecht, auch Weisungsrecht genannt. Um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, darf er seine Beschäftigten dazu verpflichten, einen Mundschutz zu tragen und sich regelmäßig die Hände zu waschen oder zu desinfizieren. Diese Anweisungen sind in einer Situation wie der derzeitigen durch das Direktionsrecht gedeckt. Bei solchen Maßnahmen ist in Betrieben mit Betriebsrat allerdings immer auch das Mitbestimmungsrecht zu berücksichtigen.
Darf mein Arbeitgeber bei einem Verdacht auf eine Corona-Infektion eine ärztliche Untersuchung verlangen?
Das Direktionsrecht hat seine Grenzen: Der Arbeitgeber darf nicht grundsätzlich in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht oder in das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Beschäftigten eingreifen. Einer Anordnung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, muss daher kein*e Beschäftigte*r nachkommen. Der Arbeitgeber kann im Falle des Coronavirus’ seine Beschäftigten auch nicht verpflichten, sich impfen zu lassen, sobald ein Impfstoff erhältlich sein sollte. Dies steht ihm auch mit der Grippeschutz-Impfung nicht zu.
Darf der Arbeitgeber mich nach Hause schicken?
So, wie der*die Arbeitnehmer*in grundsätzlich zur Arbeit verpflichtet ist, muss der Arbeitgeber seine Beschäftigten grundsätzlich beschäftigen. Solange er*sie arbeitsfähig ist, muss und darf er*sie im Betrieb tätig sein. Der Arbeitgeber darf seine Beschäftigten erst nach Hause schicken, wenn er der Meinung ist, dass sie nicht arbeitsfähig sind.
Auch eine Zwangsbeurlaubung unter Fortzahlung der Vergütung kommt nicht so einfach in Frage, Urlaub und Überstundenabbau sind nur möglich, wenn der*die Beschäftigte dies beantragt – sofern keine anderslautende Betriebsvereinbarung besteht. Falls im Betrieb eine Regelung zum Home-Office besteht, kann der Arbeitgeber im Rahmen der bestehenden Regelungen seine Beschäftigten auch von Zuhause aus arbeiten lassen. Hier sind die Regelungen des Einzelfalles zu beachten.
Entschließt sich der Arbeitgeber aus freien Stücken, den Betrieb vorübergehend zu schließen, kann er dies natürlich tun. Er muss dann das Entgelt weiterzahlen und darf nicht ohne weiteres auf die Überstundenkonten zurückgreifen. Hierbei sind jedoch im Einzelfall die Regelungen einer Betriebsvereinbarung zu beachten.
Kann ich selbst zu Hause bleiben, wenn ich keine Betreuungsmöglichkeit für meine Kinder habe?
Wenn die Behörden Kindertagesstätten aufgrund der Virusgefahr schließen, ist dies für arbeitende Eltern ein großes Problem, weil ihre Kinder dann unter Umständen unbeaufsichtigt sind. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sie ihrerseits der Arbeit fernbleiben können.
Eine Kita-Schließung betrifft nicht nur Einzelne, sondern eine Vielzahl von Menschen. Natürlich können Beschäftigte versuchen, kurzfristig Urlaub zu nehmen oder Überstunden abzubauen. Eine kurzfristig anfallende Kinderbetreuung ist auf jeden Fall ein Grund, sodass der Arbeitgeber den Urlaub nicht ohne weiteres ablehnen kann. Dem kann aber der Urlaubswunsch anderer Beschäftigter entgegenstehen, deren Kinder ebenfalls ohne Betreuung sind.
Beschäftigten mit Kindern, die aufgrund einer Epidemie keine Betreuung haben, bleibt letztlich leider nur, die Situation offen mit dem Arbeitgeber anzusprechen und gemeinsam nach einer Lösung, beispielsweise Arbeit von zu Hause, zu suchen. Es ist jedoch in erster Linie Sache der Eltern, für eine Betreuung zu sorgen.
Erkrankt das Kind, gelten die allgemeinen Regeln: Arbeitnehmer*innen haben dann das Recht, entsprechend der einschlägigen sozialrechtlichen Regelungen eine Freistellung aufgrund der Erkrankung des Kindes in Anspruch zu nehmen (bis zu zehn Tage pro Kind und Elternteil, bei Alleinerziehenden bis zu 20 Tage).
Ist das Kind dagegen gesund, die Kita aber zum Beispiel wegen Corona-Gefahr geschlossen und die Beschäftigten haben keine Möglichkeit, das Kind anderweitig unterzubringen, liegt aufgrund in diesem Fall – jedenfalls bei kleineren Kindern – bestehender elterlicher Sorgepflichten (§ 1626 Abs. 1 BGB) eine unverschuldete persönliche Verhinderung im Sinne von § 616 BGB vor. Dies löst dann für einen kurzen Zeitraum von wenigen Tagen einen Anspruch des*der Arbeitnehmer*in auf bezahlte Freistellung aus. Allerdings ist zu prüfen, ob § 616 BGB durch Tarif- oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen wurde.
Darf mein Arbeitgeber mich fragen, woran ich erkrankt bin?
Der Arbeitgeber hat kein Recht darauf zu erfahren, woran ein*e Arbeitnehmer*in erkrankt ist. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung attestiert nur, dass die*der Beschäftigte ihre*seine Tätigkeit nicht ausüben kann und
wie lange dies voraussichtlich dauern wird. Nur das ist für den Arbeitgeber maßgeblich. Mehr muss er nicht wissen, deswegen darf er auch nicht mehr wissen. Da es sich bei dem Coronavirus allerdings um eine hochansteckende Krankheit handelt, lässt sich aus der allgemeinen arbeitsrechtlichen Treuepflicht herleiten, dass Beschäftigte ausnahmsweise die Art ihrer Erkrankung mitteilen sollten oder sogar müssen. Nur so kann der Arbeitgeber entsprechende Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung des Virus im Betrieb ergreifen. Unternehmen können eine derartige Meldepflicht übrigens auch als gesonderte Betriebsvereinbarung zu Infektionskrankheiten regeln.
Darüber hinaus unterliegt der neue Corona-Virus nach dem Infektionsschutzgesetz der behördlichen Meldepflicht. Das bedeutet, dass bei einer Diagnose eines dieser Erreger, der*die Arzt*Ärztin unverzüglich unter Angabe von persönlichen Daten der*des Erkrankten dies dem zuständigen Gesundheitsamt mitteilen muss. Dieses verfügt über weitreichende Kompetenzen, die Maßnahmen zur Bekämpfung der Erkrankung – darunter auch im Betrieb des Arbeitgebers – einzuleiten. Nach der kürzlich verabschiedeten Corona-Meldeverordnung müssen Ärzte*innen nicht nur die tatsächlichen Erkrankungsfälle von Corona, sondern auch Verdachtsfälle den zuständigen Behörden melden.
Was ist, wenn die zuständige Behörde den Betrieb dichtmacht?
Eine solche Maßnahme, wie sie in Italien bereits vorgekommen ist, ist grundsätzlich auch in Deutschland möglich. Das Arbeitsministerium geht davon aus, dass es sich um einen Fall des Betriebsrisikos handelt. Beschäftigte behalten auch in diesem Fall ihren Entgeltanspruch, auch wenn sie nicht arbeiten können. Dies bestätigte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums auf Anfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Wie sieht es mit meinem Lohnanspruch aus, wenn ich selbst in Quarantäne bin?
Nach dem Infektionsschutzgesetz kann die zuständige Behörde ein Beschäftigungsverbot erlassen, wenn bei einer*m Beschäftigten der Verdacht besteht, dass er*sie eine ansteckende Krankheit hat oder er*sie einen Krankheitserreger in sich trägt. Dieses Beschäftigungsverbot führt dazu, dass Beschäftigte nicht mehr arbeiten dürfen und damit auch ihren Lohnanspruch verlieren. Im Gegenzug sieht das Infektionsschutzgesetz aber eine Entschädigung vor. Diese besteht in Höhe des Verdienstausfalls für die Dauer von sechs Wochen, anschließend in Höhe des Krankengeldes.