Skandal um gefälschte BewacherIDs in Wiesbaden

Bei der Wies­ba­den Con­gress & Mar­ke­ting GmbH (WICM) wur­den offen­bar Sicher­heits­leis­tun­gen falsch abge­rech­net und unqua­li­fi­zier­te Wach­leu­te eingesetzt.

Das berich­te­te die Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung. Die Staats­an­walt­schaft ermit­te­le gegen den Geschäfts­füh­rer und den Pro­ku­ris­ten der Wies­ba­de­ner Con­gress-Gesell­schaft wegen Ver­dachts auf Untreue. Auch die Revi­si­on der Stadt prü­fe den Fall, so die FAZ.

Der Ver­dacht betrifft die Bewa­chung des Kur­hau­ses und des Rhein-Main Con­gress-Cen­ters (RMCC). Die beauf­trag­te Frank­fur­ter Sicher­heits­fir­ma – angeb­lich Mit­glied des seriö­ses­ten aller Arbeit­ge­ber­ver­bän­de – soll Bewa­chungs­per­so­nal ohne, oder sogar mit gefälsch­ten Bewa­cher­aus­wei­sen ein­ge­setzt haben, und nur weni­ge Wach­leu­te hät­ten über­haupt eine Bewa­cher ID gehabt. Die­ses Per­so­nal wur­den offen­bar wie ord­nungs­ge­mä­ßes Bewa­chungs­per­so­nal abgerechnet.

Insi­der berich­ten von erheb­li­chen Sicher­heits­pro­ble­men, da pro­mi­nen­te Gäs­te, wie Bun­des­kanz­ler Olaf Scholz und Hes­sens Minis­ter­prä­si­dent Boris Rhein, an Ver­an­stal­tun­gen im RMCC teil­ge­nom­men haben. Bewacht von unqua­li­fi­zier­tem und unüber­prüf­tem Personal?

Stadtpolitik in Wiesbaden versucht sich an Aufklärung

Es gibt Hin­wei­se, dass das Wies­ba­de­ner Ord­nungs­amt sei über Unstim­mig­kei­ten infor­miert gewe­sen, jedoch untä­tig geblie­ben, berich­tet die FAZ wei­ter. Der Geschäfts­füh­rer der WICM bestä­tigt das Ermitt­lungs­ver­fah­ren, weist aber alle Vor­wür­fe zurück und ver­spricht vol­le Unter­stüt­zung der Ermitt­lun­gen. Der Skan­dal war auch The­ma in der Wies­ba­de­ner Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung ver­gan­ge­ne Woche, die ein­stim­mig einen Dring­lich­keits­an­trag beschloss.

Ober­bür­ger­meis­ter Gert-Uwe Men­de und Bür­ger­meis­te­rin Chris­tia­ne Hin­nin­ger erklär­ten bei­de, erst „seit kur­zem“ über den Sach­ver­halt infor­miert zu sein. Hin­nin­ger sei „erst“ am 15.04.2024 infor­miert wor­den, OB Men­de am 02.07.2024. Seit­dem betrei­be man „lücken­lo­se Auf­klä­rung“ und habe die­se von der Geschäfts­füh­rung der RMCC/​WICM ein­ge­for­dert. Am Frei­tag, 12.07.2024 fin­de dar­über hin­aus eine Son­der­sit­zung des Auf­sichts­ra­tes der WICM statt. Die zustän­di­ge Ord­nungs­de­zer­nen­tin Maral Koohe­sta­ni­an gab zu Pro­to­koll, das Wies­ba­de­ner Ord­nungs­amt habe den Vor­gang am 27.04.2023 an das zustän­di­ge Ord­nungs­amt in Frank­furt am Main über­ge­ben. Eine Ein­fluss­nah­me auf Mit­ar­bei­ten­de des Ord­nungs­am­tes habe es „nach der­zei­ti­ger Akten­la­ge“ nicht gegeben.

Auf die Idee, die Sicher­heits­maß­nah­men ein­fach mit eige­nem Per­so­nal durch­zu­füh­ren, ist in der Debat­te selt­sa­mer­wei­se nie­mand gekommen.

Anwälte verteidigen Unternehmensleitung

Wie die Pres­se am Wochen­en­de berich­te­te, bezwei­feln inzwi­schen die Rechts­an­wäl­te der WICM-Geschäfts­füh­rung die Rich­tig­keit der vom Ord­nungs­amt über­prüf­ten Mit­ar­bei­ter­lis­ten. Bele­ge für eine sol­che Mani­pu­la­ti­on feh­len aber. Viel­mehr „sei davon aus­zu­ge­hen“ dass der Sicher­heits­chef der WCIM die Lis­ten „selbst ange­fer­tigt“ habe. „Über­tra­gungs­feh­ler oder sogar absicht­li­che Falsch­an­ga­ben“ könn­ten „nicht aus­ge­schlos­sen“ wer­den. Wie sagt man in Hes­sen: „Man weiß es nicht, man mun­kelt nur“. Und hier wird bemer­kens­wert viel „aus­ge­gan­gen“, „nicht aus­ge­schlos­sen“ – gemun­kelt eben.

Außer­dem wer­fen die Anwäl­te mit Nebel­ker­zen um sich. Zoll und Bun­des­kri­mi­nal­amt hät­ten Sicher­heits­mit­ar­bei­ter eben­falls über­prüft. Scha­de nur, dass weder der Zoll, noch das BKA prü­fen, ob eine Bewa­cher ID, eine Unter­rich­tung oder Sach­kun­de­prü­fung nach 34 a GewO vor­lie­gen. Dies haben die Ord­nungs­äm­ter zu prü­fen, und deren Prüf­ergeb­nis­se sind das Problem.

Viele offene Fragen

Man muss sich fragen:

  • Hat das Frank­fur­ter Ord­nungs­amt geeig­ne­te Maß­nah­men ergrif­fen, um die schwer­wie­gen­den Vor­wür­fe aufzuklären?
  • Ist die Zuver­läs­sig­keit der Frank­fur­ter Sicher­heits­fir­ma und ihrer Sub­un­ter­neh­men vor dem Hin­ter­grund von § 34 a GewO gegeben?
  • Sind die besag­ten Sicher­heits­fir­men wei­ter­hin für die Städ­te Wies­ba­den und Frank­furt (inklu­si­ve städ­ti­sche Eigen­be­trie­be und Betei­li­gun­gen) tätig?
  • Wenn ja: In wel­chen wei­te­ren regle­men­tier­ten Beru­fen kön­nen durch städ­ti­sche Ein­rich­tun­gen beauf­trag­te Dienst­leis­ter unqua­li­fi­zier­tes und nicht-zuge­las­se­nes Per­so­nal stel­len, ohne vor die Tür gesetzt zu wer­den? Elek­tro­tech­nik? Alten­pfle­ge? Hubschrauberpilot?
  • Wann end­lich wer­den die Kon­trol­len der Sicher­heits­bran­che ver­schärft und ins­be­son­de­re bei Ver­an­stal­tun­gen die schwar­zen Scha­fe ausgesiebt?

Der Vor­fall wirft aber­mals ein Schlag­licht auf die Bran­che. Auf­trags­ver­ga­be mit dem ein­zi­gen Zuschlags­kri­te­ri­um „nied­rigs­ter Preis“ prä­gen das Gewer­be, wäh­rend oft kei­ne Tarif­treue ein­ge­for­dert wird. Das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um leg­te erst 2023 einen desas­trö­sen Gesetz­ent­wurf vor, dem zufol­ge die Beschäf­tig­ten wei­ter­hin unge­schützt den Machen­schaf­ten zwei­fel­haf­ter Unter­neh­men aus­ge­setzt sein wür­den, denn unter ande­rem die Gene­ral­un­ter­neh­mer­haf­tung fehlt völ­lig in die­sem Gesetzentwurf.

Zustän­dig für die Kotrol­len sind die Ord­nungs­be­hör­den, wäh­rend gleich­zei­tig die Kom­mu­nen mas­sen­haft Auf­trä­ge an pri­va­te Sicher­heits­dienst­leis­ter ver­gibt. Inter­es­sens­kon­flik­te sind vorprogrammiert.

Wir fordern:

  • Durch­füh­rung von Sicher­heits­maß­nah­men der öffent­li­chen Hand durch eige­nes Per­so­nal anstatt der Beauf­tra­gung pro­fit­ori­en­tier­ter Dienstleister
  • Ein­füh­rung einer Gene­ral­un­ter­neh­mer­haf­tung, um Auf­trag­ge­ber nicht aus ihrer Ver­ant­wor­tung zu entlassen
  • Wirk­sa­me Tarif­treue­ge­set­ze, um den Unter­bie­tungs­wett­be­werb beim Lohn einzudämmen
  • Stren­ge und inten­si­ve Kon­trol­len der betrof­fe­nen Fir­men durch die zustän­di­gen Behörden