Neues „Vergabe- und Tariftreuegesetz“ in Hessen?

DGB und ver.di kri­ti­sie­ren neu­es „Hes­si­sches Ver­ga­be- und Tarif­treue­ge­setz“ scharf. Das Gesetz drückt unse­re Löh­ne und gefähr­det unse­re Arbeits­plät­ze. Jetzt aktiv werden!

„Die von der schwarz-grü­nen Lan­des­re­gie­rung vor­ge­leg­te Novel­lie­rung des Hes­si­schen Ver­ga­be- und Tarif­treue­ge­set­zes ist mit Blick auf den Kampf gegen Lohn­drü­cke­rei und untrag­ba­re Arbeits­be­din­gun­gen lei­der als ziem­li­cher Aus­fall zu wer­ten!“ erklär­te Micha­el Rudolph, der Vor­sit­zen­de des DGB-Bezirks Hes­sen-Thü­rin­gen die Lan­des­re­gie­rung in einer Pres­se­mit­tei­lung. Recht hat er! Auch unser Lan­des­be­zirks­lei­ter hat in der Anhö­rung deut­li­che Wor­te gefun­den: Jür­gen Both­ner kri­ti­sier­te, dass durch die Ver­ga­be­pra­xis z.B. des LBIH die Schwar­zen Scha­fe gera­de­zu her­an­ge­züch­tet werden.

Ihr könnt Euch den Gesetz­ent­wurf in der hes­si­schen Par­la­ments­da­ten­bank sel­ber anschau­en. Dort fin­det ihr auch die offi­zi­el­le Stel­lung­nah­me des DGB zum Gesetzentwurf.

Warum ist das wichtig, und wie betrifft uns das eigentlich?

Kurz gesagt: weil das Hes­si­sche Tarif­treue- und Ver­ga­be­ge­setz kei­ne Tarif­treue bewirkt. Schon der Titel ist also „ gelo­gen“. Guckt man in § 4 des Geset­zes, so steht dort:

„Unter­neh­men sind ver­pflich­tet, die für sie gel­ten­den gesetz­li­chen, auf­grund eines Geset­zes fest­ge­setz­ten und unmit­tel­bar gel­ten­den tarif­ver­trag­li­chen Leis­tun­gen zu gewähren.“

Na tol­le Wurst. An das, wor­an ich mich sowie­so hal­ten muss (weil es z.B. im Tarif­ver­trags­ge­setz, im Arbeit­neh­mer­ent­sen­de­ge­setz oder im Min­dest­lohn­ge­setz steht), muss ich mich jetzt aber sowas von hal­ten! Sonst krie­ge ich kei­nen Auf­trag vom Land Hes­sen! Aber sowas von nicht!

Es sei denn… Also im Moment gera­de schon, weil der ETV ja gera­de neu ver­han­delt wur­de, und der neue noch nicht all­ge­mein­ver­bind­lich ist. Und wenn ich z.B. Leis­tun­gen mit GSSKs/​Werkschutzfachkräften beauf­tra­ge, dann halt auch nicht. Weil das ist nicht in der All­ge­mein­ver­bind­lich­keit mit drin. Und wenn der Auf­trag­ge­ber eine Kom­mu­ne ist, dann auch nicht unbe­dingt, weil: dann bin ich an die­ses Gesetz nur bei der Ver­ga­be von Nah­ver­kehrs­leis­tun­gen gebun­den. Und die gan­zen Büro­kräf­te der Sicher­heits­fir­men, die kann der Auf­trag­neh­mer auch bezah­len wie er will, weil das auch nicht all­ge­mein­ver­bind­lich ist. Die Lis­te lie­ße sich noch lan­ge weiterführen.

Das ist Tarif­treue light. Aber ganz light.

Aber die Verpflichtungserklärung!

Jaaaa, die Ver­pflich­tungs­erkläung. Die ist ganz toll. Die gibt der Unter­neh­mer dem Land Hes­sen gegen­über ab, dass er sich an das hal­ten wird, wor­an er sich sowie­so hal­ten muss (s.o.). Und wenn nicht, dann wehe. Ja aber ganz doll wehe. Denn wenn er sei­ne Leu­te nicht rich­tig bezahlt, dann macht das Land Hes­sen näm­lich… Na? Was? Rich­tig gera­ten! Nix machen die für uns dann. Woher wis­sen wir das? Weil die Lan­des­re­gie­rung das selbst gesagt hat:

Nix machen wir
Aus­schnitt aus der Ant­wort der hes­si­schen Lan­des­re­gie­rung an den Abge­ord­ne­ten Her­mann Schaus (MdL, Die Linke)

Weil: Der Unter­neh­mer garan­tiert dem Land Hes­sen näm­lich auch, sowas auf kei­nen Fall zu machen. Obwohl, ne. Garan­tie nicht. Er ver­pflich­tet sich! Und wenn er das nicht macht, dann kriegt er ein Dudu. Dann kommt der Arbeit­ge­ber näm­lich in eine Lis­te. Die muss aber nie­mand so rich­tig abfra­gen, bevor er Auf­trä­ge ver­gibt. Kon­trol­liert wird auch nicht groß, Betriebs­über­gän­ge sind nur für den Ver­kehrs­sek­tor gere­gelt. Und so wei­ter und so fort.

Zusammenfassung

Das Land Hes­sen ver­gibt eine Men­ge an Dienst­leis­tungs­auf­trä­gen – auch an Sicher­heits­fir­men. Aus­schlag­ge­bend ist viel zu oft der nied­rigs­te Preis. Hier kön­nen tarif­ge­bun­de­ne Unter­neh­men kaum noch mit­hal­ten. Die Kom­mu­nen sind nicht ein­mal ver­pflich­tet, sich über­haupt an das Gesetz zu hal­ten, und kon­trol­liert wird sowie­so nix. Solan­ge das so ist, wer­den die gan­zen unse­riö­ses­ten Fir­men die größ­ten Wett­be­werbs­vor­tei­le haben. Dar­un­ter habt ihr als Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer im Sicher­heits­ge­wer­be ganz kon­kret zu lei­den, denn der Preis­kampf wird über eure Löh­ne ausgetragen!

Lan­ge Rede: Kur­zer Sinn: Der Gesetz­ent­wurf der Regie­rungs­frak­tio­nen ist skan­da­lös unso­zi­al und wird die Tarif­treue in Hes­sen kei­nen Meter voranbringen!

Was können wir tun?

Alte Lebens­weis­heit: Wer schreibt, der bleibt. Also schreibt euren Abge­ord­ne­ten im Hes­si­schen Land­tag. Einen Vor­schlag für eine Fra­ge an euren Abge­ord­ne­ten fin­det ihr ganz unten auf die­ser Sei­te. Auf dem Por­tal Abge­ord­ne­ten­watch fin­det ihr alle Hes­si­schen Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten aufgelistet:

[auto-iframe height=1500px scroll=yes link=https://embed.abgeordnetenwatch.de/hessen/abgeordnete autosize=yes]

Schreibt euren Abge­ord­ne­ten. Am bes­ten den Abge­ord­ne­ten von Bünd­nis 90/​Die Grü­nen und CDU. Denn die­se bei­den Frak­tio­nen haben den Gesetz­ent­wurf ein­ge­bracht. Die Frak­ti­on der SPD („Gesetz­ge­be­ri­sches Fias­ko für Schwarz­grün“) und die Frak­ti­on Die Lin­ke („Das hes­si­sche Ver­ga­be­ge­setz bleibt unzu­rei­chend“) tei­len unse­re Vor­be­hal­te und kri­ti­sie­ren den Gesetz­ent­wurf scharf. Schreibt den Abge­ord­ne­ten, dass die­ser Gesetz­ent­wurf ganz kon­kret euren Ver­dienst so nied­rig hält, und euer durch die­ses schlech­te Arbeits­platz gefähr­det ist, weil es den Wett­be­werb unfair in Rich­tung nicht-tarif­ge­bun­de­ner Unter­neh­men verzerrt.

Vor­schlag für eine Fra­ge an euren Abgeordneten:

 

„Sehr geehr­ter Herr/​Frau xxx,

vie­le gesell­schaft­li­che Akteu­re – ins­be­son­de­re die Gewerk­schaf­ten – haben die von ihrer Frak­ti­on vor­ge­leg­te Novel­lie­rung des Hes­si­schen Ver­ga­be- und Tarif­treue­ge­set­zes scharf kri­ti­siert. „Mit der Novel­lie­rung wird kei­ne all­ge­mei­ne Ver­pflich­tung zur Ent­loh­nung nach Tarif ein­ge­führt, die über die bereits bestehen­den Rege­lun­gen zum Öffent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehr hin­aus­geht. Bezug genom­men wird ledig­lich auf Bestim­mun­gen, die sowie­so ver­pflich­tend sind“, so der DGB. Es han­delt sich also um ein Tarif­treue­ge­setz ohne wirk­li­che Tariftreue.

Was wer­den Sie im Gesetz­ge­bungs­pro­zess unter­neh­men, um die Tarif­treue wirk­sam im Gesetz zu verankern?“

 

ver.di und der DGB wer­den sich wei­ter gegen die­sen Gesetz­ent­wurf ein­set­zen! Wir brau­chen ein Tarif­treue­ge­setz, dass die­sen Namen auch ver­dient!